Outdoor geerntet – muss ich für Edibles anders trocknen?
Dein bester Freund nach der Ernte: ein Hydrometer!
Der Oktober ist da - und damit für viele Cannabis-Grower die aufregendste und gleichzeitig anstrengendste Zeit des Jahres. Eure Outdoor-Pflanzen sind reif, die Ernte steht an, und ihr habt einen klaren Plan: Aus diesen wunderschönen Blüten sollen Edibles werden. Aber dann kommt die Frage auf: Muss ich meine Cannabis-Blüten eigentlich anders trocknen und curen, wenn ich sie nur für Extrakte verwende?
Die gute Nachricht vorweg: Ja, ihr könnt Abkürzungen nehmen! Aber - und das ist wichtig - nicht bei allen Schritten.
Warum der Oktober für Outdoor-Grower so herausfordernd ist
Unseren beiden Rescue Pflanzen Maria und johanna ging es an den Kragen
Wer schon mal Outdoor angebaut hat, kennt das Drama: Das Wetter kann innerhalb von Stunden kippen. Was gestern noch prächtige, harzige Blüten waren, kann morgen durch Botrytis (Grauschimmel) zum schimmeligen Haufen werden. Deshalb müssen oft alle Pflanzen gleichzeitig geerntet werden - egal ob gerade Zeit dafür ist oder nicht.
Bei Mit Was Drin haben wir diese Phase jahrelang in Maine durchlebt. Manchmal waren es Dutzende Pflanzen, die alle gleichzeitig reif wurden. Stressig? Absolut. Aber auch eine wunderschöne Zeit, wenn man sieht, wie sich die monatelange Arbeit auszahlt.
Fresh Frozen? Nichts für die Heimküche
Bevor wir ins Detail gehen: Manche fragen nach "Fresh Frozen" - also Cannabis direkt nach der Ernte einzufrieren. Diese Methode existiert tatsächlich, ist aber für spezielle Extraktionsmethoden wie Butan- oder CO2-Extraktion gedacht. Das sind Verfahren, die ihr zu Hause nicht machen könnt (und auch nicht solltet - Sicherheitsrisiko!).
Für Edibles in der Heimküche gilt: Eure Cannabis-Blüten müssen getrocknet werden. Punkt. Das Wasser muss raus, sonst stört es bei der Extraktion.
Trocknen: Langsam ist der Schlüssel
Hier ist der erste wichtige Punkt: Trocknet nicht zu schnell!
Warum? Terpene. Diese flüchtigen Aromastoffe sind das, was eurem Cannabis sein charakteristisches Profil gibt. Bei zu schneller Trocknung verdampfen sie einfach. Und ja, auch wenn ihr die Blüten nicht rauchen wollt, sind Terpene wichtig - dazu später mehr.
Die optimalen Trocknungswerte
Aus unserer Erfahrung mit über 2,5 Millionen produzierten Edibles haben sich folgende Werte bewährt:
Temperatur: 15-21°C (optimal: 18-20°C)
Luftfeuchtigkeit: 55-60%
Luftzirkulation: Indirekt - Ventilator nie direkt auf die Blüten
Licht: Dunkelheit bevorzugt
Dauer: Etwa eine Woche
Wir haben in unseren Trockenräumen meist bei 15°C getrocknet und Dehydriergeräte verwendet, um die Luftfeuchtigkeit präzise zu kontrollieren. Ein Hygrometer ist euer bester Freund in dieser Phase!
Wichtig: Wenn ihr zu schnell trocknet, werden die Blüten außen knusprig, sind aber innen noch feucht. Das führt später zu Problemen beim Curing.
Was passiert eigentlich beim Curing?
Jetzt wird's interessant. Nach dem Trocknen folgt normalerweise das Curing (Nachreifen). Aber muss das auch sein, wenn ihr die Blüten nur für Edibles verwendet?
Um diese Frage zu beantworten, schauen wir uns erst an, was beim Curing überhaupt passiert:
1. Chlorophyll-Abbau
Das grüne Zeug in den Cannabis-Pflanzen wird während des Curing abgebaut. Chlorophyll sorgt für einen bitteren, unangenehmen Geschmack - sowohl beim Rauchen als auch in Extrakten.
In Maine haben wir oft beobachtet: Die Dispensaries, die als erste ihre frischen Outdoor-Blüten verkaufen, haben meist das Curing übersprungen. Das Ergebnis? Cannabis, das im Hals kratzt und unangenehm schmeckt.
Für Edibles: Absolut wichtig! Niemand will Cannabisöl, das bitter und grün schmeckt.
2. Feuchtigkeitsausgleich
Während des Curing verteilt sich die Restfeuchtigkeit gleichmäßig in den Blüten. Was außen knusprig ist, kann innen noch überraschend feucht sein.
Für Edibles: Sehr wichtig! Restfeuchtigkeit kann zu Schimmel führen, wenn ihr die Blüten lagert. Und Schimmel nach monatelanger Pflege zu verlieren, wäre herzzerreißend.
3. Das berühmte "Burpen"
Die getrockneten Blüten werden in Gläser gefüllt (wichtig: nur zu 75%!) und täglich geöffnet. Dabei hört man oft ein kleines "Burp"-Geräusch, wenn Gase entweichen.
Das Burpen ist ehrlich gesagt einer unserer Lieblingsmomente im gesamten Prozess. Man öffnet das Glas und - wenn alles richtig läuft - steigt einem dieses wunderbare, sortentypische Aroma in die Nase. Ob es White Widow, Lemon Berry oder Planet of the Grapes ist - jede Sorte entwickelt ihr eigenes Profil.
Aber Achtung: Am Anfang riecht es noch nicht schön! Die Gase, die in den ersten Tagen entweichen, haben einen beißenden, scharfen Geruch. Manche beschreiben es als "Katzenpipi"-ähnlich. Das ist normal - und genau deshalb ist das Burpen so wichtig.
Für Edibles: Unverzichtbar! Diese unangenehmen Gase wollt ihr definitiv nicht in eurem Cannabisöl haben.
4. Terpenen-Entfaltung und -Erhaltung
Terpene sind flüchtig. Bei zu schneller Trocknung sind sie weg. Das Curing ermöglicht es den Terpenen, sich voll zu entfalten und dabei nicht zu verdampfen.
Für Edibles: Teilweise wichtig. Hier wird's komplex.
Terpene gehen definitiv ins Cannabisöl über, wenn ihr schonend extrahiert. Ein gut gemachtes Cannabisöl riecht fantastisch - man kann die Sorte oft am Geruch erkennen. Aber die große Frage ist: Wie sehr beeinflussen Terpene die Wirkung bei oraler Aufnahme?
Der Entourage-Effekt - also das Zusammenspiel von Cannabinoiden und Terpenen - ist beim Inhalieren gut dokumentiert. Aber bei Edibles? Die Wissenschaft hat hier noch keine abschließende Antwort.
Was wir aus unserer Erfahrung sagen können: Ein gut gecurtes, terpenreiches Cannabisöl schmeckt und riecht einfach besser. Und beim Riechen und Schmecken passiert bereits etwas - bevor das Öl überhaupt in den Verdauungstrakt gelangt.
Wir gehören zum "Terpene sind wichtig"-Lager, aber wir bleiben ehrlich: Die wissenschaftliche Datenlage bei oraler Aufnahme ist dünn. Das wird Thema einer zukünftigen Episode sein.
5. Gasabgabe: Ammoniak muss raus
Während des Curing entweichen unerwünschte Gase wie Ammoniak. Das ist der Stoff, der für diesen unangenehmen, beißenden Geruch verantwortlich ist.
Für Edibles: Extrem wichtig!
Wir haben in unserer Anfangszeit den Fehler gemacht, Cannabis-Blüten zu extrahieren, die nicht richtig gecurt waren. Das Ergebnis? Cannabisöl mit einem scharfen, unangenehmen Ammoniakgeschmack, der selbst mit starken Aromen wie Grapefruit schwer zu maskieren war.
Wenn ihr Bonbons oder Gummis aus solchem Öl macht, schmeckt man es sofort. Nicht zu empfehlen!
6. Rauchmildheit & Zuckerumbau
Während des Curing wird Zucker umgebaut. Bei zu schnell getrocknetem Cannabis karamellisiert der Zucker beim Rauchen und sorgt für dieses kratzige Gefühl im Hals. Gut gecurtes Cannabis hingegen raucht sich mild und angenehm.
Für Edibles: Unwichtig! Ihr raucht es nicht, also ist die Rauchmildheit komplett irrelevant.
Die große Erleichterung: 1-2 Wochen statt 4-8!
Jetzt kommt die Information, auf die ihr gewartet habt:
Wenn ihr Cannabis-Blüten ausschließlich für Edibles verwendet, könnt ihr die Curing-Phase auf 1-2 Wochen verkürzen!
Normalerweise würde man für richtig gutes Rauch-Cannabis 4-8 Wochen curen. Manche Premium-Produzenten gehen sogar noch länger, um wirklich feine Aromen herauszuarbeiten.
Aber für Edibles? Die wichtigsten Prozesse - Chlorophyll-Abbau, Ammoniak-Entfernung, Feuchtigkeitsausgleich - sind nach 1-2 Wochen weitgehend abgeschlossen.
So geht's richtig:
Gläser nur zu 75% füllen Luftzirkulation ist wichtig. Vollgestopfte Gläser funktionieren nicht.
Einmal täglich öffnen (burpen) Wirklich jeden Tag. Setzt euch einen Wecker, wenn nötig. Die ersten Tage sind besonders wichtig.
Relative Luftfeuchtigkeit: 60% Ein kleines Hygrometer im Glas ist Gold wert.
Temperatur: 18-20°C Nicht zu warm (Schimmelgefahr!), nicht zu kalt (Prozess verlangsamt sich).
Dauer: 7-14 Tage Nach einer Woche könnt ihr bereits extrahieren. Nach zwei Wochen ist das Ergebnis noch etwas besser.
Was ihr für Edibles wirklich braucht
Fassen wir zusammen:
✅ Unverzichtbar für Edibles:
Chlorophyll-Abbau - Für besseren Geschmack
Terpenen-Stabilisierung - Für Aroma (und möglicherweise Wirkung)
Feuchtigkeitsausgleich - Gegen Schimmel
Ammoniak-Entfernung - Gegen "Katzenpipi"-Geschmack
⚠️ Weniger wichtig für Edibles:
Rauchmildheit - Ihr raucht es nicht
Intensiver Zuckerumbau - Nur relevant fürs Inhalieren
Praktische Tipps aus 15+ Jahren Erfahrung
Lagerung: Gläser oder Kisten?
Bei kleinen Mengen sind Einmachgläser perfekt. Bei größeren Ernten wird das Burpen von Dutzenden Gläsern irgendwann anstrengend. Wir sind dann auf große Kisten umgestiegen - funktioniert genauso gut, solange ihr sie täglich öffnet.
Wichtig: Egal ob Glas oder Kiste - nicht zu voll machen! 75% ist die Regel.
Der Geruchstest
Wenn ihr das Gefäß öffnet und euch ein angenehmes, sortentypisches Aroma entgegenschlägt - perfekt!
Wenn es noch beißend und scharf riecht - weitermachen mit dem Burpen.
Wenn es modrig oder faulig riecht - Alarm! Schimmelgefahr. Blüten sofort rausnehmen und überprüfen.
Nach dem Curing kommt die Decarboxylierung
Wenn eure Cannabis-Blüten getrocknet und gecurt sind, folgt der nächste kritische Schritt: die Decarboxylierung. Dabei wird THCA in psychoaktives THC umgewandelt.
Auch bei der Decarboxylierung verliert ihr nochmal etwas Restfeuchtigkeit, besonders wenn ihr im Ofen arbeitet. Deshalb ist es wichtig, den Deckel nur leicht aufzulegen, damit Feuchtigkeit entweichen kann.
Alle Details zur Dekarboxylierung - Temperatur, Timing, verschiedene Methoden - findet ihr in unserem kostenlosen E-Book "Edibles selbst gemacht. Eine Anleitung". Das könnt ihr euch auf www.mitwasdrin.de herunterladen.
Die häufigsten Fehler beim Trocknen & Curing
Fehler 1: Zu schnell trocknen
Was passiert: Außen knusprig, innen feucht. Terpene verflüchtigt. Lösung: Geduld haben, richtige Temperatur einhalten.
Fehler 2: Curing komplett überspringen
Was passiert: Bitteres, grünes Cannabisöl mit Ammoniakgeschmack. Lösung: Mindestens 1 Woche curen, besser 2.
Fehler 3: Gläser zu voll packen
Was passiert: Keine Luftzirkulation, erhöhte Schimmelgefahr. Lösung: Maximal 75% füllen.
Fehler 4: Unregelmäßiges Burpen
Was passiert: Gase entweichen nicht richtig, Feuchtigkeit staut sich. Lösung: Jeden Tag zur gleichen Zeit burpen - Routine entwickeln.
Fehler 5: Zu warme Lagerung
Was passiert: Schimmelbildung beschleunigt. Lösung: 18-20°C einhalten, nicht wärmer.
Die Terpenen-Frage: Was wissen wir wirklich?
Dieser Punkt verdient noch etwas mehr Aufmerksamkeit, weil er wissenschaftlich noch nicht vollständig geklärt ist.
Was wir wissen:
Terpene gehen bei schonender Extraktion ins Cannabisöl über
Ein gutes Cannabisöl hat ein komplexes Aromaprofil
Man kann riechen und schmecken, ob das Ausgangsmaterial gut war
Beim Riechen und Schmecken des Öls passiert definitiv etwas
Was noch unklar ist:
Wie sehr beeinflussen Terpene die Wirkung bei oraler Aufnahme?
Welche Terpene überleben die Verdauung?
Gibt es einen oralen Entourage-Effekt?
Die Forschung läuft, aber definitive Antworten gibt es noch nicht. Bis dahin bleiben wir dabei: Besser terpenreiches Cannabis verwenden als terpenarmes. Schaden kann es nicht, und der Geschmack ist auf jeden Fall besser!
Achtung Schimmel: Der stille Killer
Ein letzter, aber wichtiger Punkt: Schimmel ist in der Trocknungs- und Curing-Phase euer größter Feind.
Die Kombination von Feuchtigkeit + Wärme = Schimmelparadies
Nach monatelanger liebevoller Pflege eurer Pflanzen auf den letzten Metern alles zu verlieren, ist herzzerreißend. Wir haben es erlebt, ihr wollt es nicht erleben.
Deshalb:
Täglich kontrollieren
Bei verdächtigem Geruch sofort handeln
Luftfeuchtigkeit und Temperatur im Auge behalten
Lieber zu vorsichtig als zu nachlässig
Fazit: Ein bisschen anders - aber machbar!
Also, zurück zur ursprünglichen Frage: Muss ich für Edibles anders trocknen und curen?
Die Antwort: Jein.
Das Trocknen läuft praktisch identisch ab. Viele Aspekte des Curing sind auch für Extrakte wichtig. Aber - und das ist die gute Nachricht - ihr könnt die Curing-Phase auf 1-2 Wochen verkürzen statt 4-8 Wochen zu investieren.
Die wichtigste Regel: Überspringt das Curing nicht komplett!
Ja, es ist verlockend, direkt nach dem Trocknen zu extrahieren. Aber der Geschmacksunterschied ist enorm. Ein bis zwei Wochen geduldiges Burpen machen eure Edibles von "ok" zu "wow".
Eure nächsten Schritte
Cannabis-Blüten trocknen: 1 Woche bei 18-20°C, 55-60% Luftfeuchtigkeit
Curing: 1-2 Wochen täglich burpen bei 18-20°C, 60% Luftfeuchtigkeit
Decarboxylierung: Details in unserem E-Book
Extraktion: Mit unserem Dosierungsrechner die richtige Menge berechnen
Kostenlose Ressourcen für euch:
📖 E-Book "Edibles selbst gemacht" - Komplette Anleitung von der Decarboxylierung bis zur fertigen Dosierung: www.mitwasdrin.de/edibles-selbst-gemacht
🧮 Dosierungsrechner - Berechnet genau, wie viel Cannabis ihr für eure gewünschte Dosis braucht: www.mitwasdrin.de/dosierungsrechner
💬 Habt ihr Fragen? Schreibt uns an mitwasdrin@gmail.com oder kommentiert unter dem Video!
Happy Croptober und viel Erfolg bei eurer Ernte! 🌿
Wichtiger Hinweis: Dieser Artikel dient ausschließlich der wissenschaftlichen Aufklärung. Informiert euch über die rechtliche Situation in eurer Region. Cannabis sollte verantwortungsvoll verwendet, außerhalb der Reichweite von Kindern aufbewahrt und bei medizinischen Fragen mit einem Arzt besprochen werden. Start low, go slow - tastet euch langsam an die richtige Dosis heran.